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Europawahlen 2024: Hochschul- und wissenschaftspolitische Aspekte in den Wahlprogrammen deutscher Parteien

Plenarsitzung des Europäischen Parlaments
© DAAD Brüssel

Die DAAD-Außenstelle Brüssel hat sich in den nachstehenden Zusammenfassungen der Wahlprogramme aller großen, verfassungstreuen Parteien, die derzeit im Deutschen Bundestag vertreten sind, mit ihren hochschul- und wissenschaftspolitischen Positionen, Zielen und Maßnahmen befasst. Die aufgeführte Reihenfolge der Parteien orientiert sich am Stimmenanteil der vergangenen Europawahl. Die Darstellungen wurden durch die von den Parteien im Zuge einer Befragung der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) eingereichten Beiträge ergänzt.

27. Mai 2024

Als Teil der Europäischen Volkspartei (EVP) fokussieren die CDU und CSU auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, eine freiheitliche Grundordnung und ein wettbewerbsfähiges, bürgernahes Europa. Mit einer Offensive für Forschung und Innovation sowie einem starken EU-Forschungsrahmenprogramm wollen sie Europas Vorreiterrolle bei der Entwicklung von Schlüsseltechnologien stärken und setzen sich dafür ein, dass die EU-Mitgliedstaaten das Investitionsziel von drei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) für Forschung und Innovation und von zwei Prozent für die Hochschulbildung erreichen. Sie fordern die aktive Einbeziehung von Hochschuleinrichtungen, bevor neue Rechtsvorschriften im Bildungs-, Forschungs- und Innovationsbereich erlassen werden, beispielsweise bei Fragen der digitalen Transformation, der Rechtsstaatlichkeit oder der strategischen Autonomie der Hochschulen. Zur Förderung der Mobilität von Forschenden sowie Studierenden setzen sich CDU und CSU für die Erweiterung und finanzielle Aufstockung des Erasmus+ Programms ein, sowie für die gegenseitige Anerkennung von Zertifikaten und Zeugnissen im Europäischen Bildungsraum, wofür sie Kriterien entwickeln wollen, die eine Vergleichbarkeit der Bildungsabschlüsse im Schul-, Hochschul- sowie Berufsbildungsbereich gewährleisten, ohne bewährte Strukturen zu untergraben. Ferner unterstützen sie europäische Hochschulprogramme, die bei Studierenden zu einem gemeinsamen Abschluss oder zu einem Doppelabschluss führen. Sie plädieren für ein europäisches Gesetz zum Schutz der Freiheit der wissenschaftlichen Forschung, um für europäische Gerichte ein Instrument für EU-weit rechtliche Standards zu schaffen und durchzusetzen. Zur Bekämpfung des Fachkräftemangels in Deutschland wollen CDU/CSU die Fähigkeiten junger Menschen aus ganz Europa fördern und nutzen und sich dafür einsetzen, dass alle Hürden beseitigt werden, die es bei der Freizügigkeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern noch gibt.

Bündnis 90/Die Grünen setzen sich für eine europäische Wissenschafts- und Forschungspolitik ein, die die Menschen und Institutionen in Europa verbindet und sie bei der Entfaltung einer freien Wissenschaft unterstützt. Dafür fordern sie eine Steigerung der Ausgaben für Forschung und Entwicklung gemessen am BIP in Europa. Der Förderung von akademischer Mobilität sehen sie dabei von unschätzbarem Wert im Europäischen Hochschulraum. Konkret wollen Bündnis 90/Die Grünen die Mittel für Erasmus+ im Mehrjährigen Finanzrahmen ab 2028 verdoppeln, damit mehr Menschen, vor allem aus einkommensschwächeren Familien und auch Menschen mit Behinderung, eine Lernmobilität absolvieren können. Ferner setzen sie sich für die Gründung und Stärkung von europäischen Hochschulnetzwerken ein. Im Sinne der Idee eines europäischen Hochschulabschlusses unterstützen sie die Weiterentwicklung des European Approach im Rahmen des Bologna-Prozesses, um die Anerkennung gemeinsamer Studiengänge und gemeinsamer Studienabschlüsse zu erleichtern und Anreize für die Internationalisierung von Studiengängen zu schaffen. Die European Student Card (ESC) Initiative und den digitale Studierendenausweis in der Erasmus+-App wollen sie auf alle Studierenden in der EU auszuweiten. Darüber hinaus fordern sie, dass das Forschungsrahmenprogramm im nächsten europäischen Finanzrahmen deutlich ausgebaut wird. Horizon Europe müsse zugänglicher und internationaler werden, durch Vereinfachung und Entbürokratisierung des Antragsverfahrens und Einbindung weiterer Partnerländer. Bei Wissenschaftskooperationen mit außereuropäischen Partnern setzen sie auf den Schutz europäischer technologischer Souveränität und die Garantie der Wissenschaftsfreiheit. Für den Schutz der Wissenschaftsfreiheit wollen sie etwa die Auszahlung von EU-Mitteln an die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit, demokratischer Prinzipien und die Grundrechte knüpfen. Zur Bekämpfung des Fachkräftemangels setzen sie sich für eine umfassende EU-Fachkräftestrategie ein, unter Berücksichtigung der Vorteile des Arbeitsmarkts im Herkunftsland ebenso wie in Europa.

Die SPD setzt sich dafür ein, dass gute (Aus-)Bildung nicht von der Herkunft, dem Geschlecht, einer Behinderung, der finanziellen Situation oder der sozialen Lage der Eltern abhängt. Die SPD fordert eine stärkere Breitenförderung der europäischen Hochschulen. Ziel ist die gebührenfreie Bildung von der Kita über die Ausbildung und das Erststudium bis zum Meister oder Master, die sie perspektivisch EU-weit anstrebt. Sie setzt sich für die konsequente Verwirklichung des Bologna-Reformprozesses ein. Die SPD fordert eine erhebliche Aufstockung der Haushaltsmittel für Erasmus+ (2028–2034). Jede und jeder, die/der dies möchte, soll bis zum 25. Lebensjahr mindestens eine durch Erasmus+ geförderte Lernerfahrung im Ausland machen können. Die Mittel für Horizont Europa und sein Nachfolgeprogramm will die SPD ebenfalls deutlich aufstocken, vorzugsweise durch die Einführung neuer Eigenmittel. Ferner fordert die SPD eine ausreichende Finanzierung des Bildungs-, Kultur- und Wissenschaftsaustauschs, nicht zuletzt da internationale Kultur- und Bildungspolitik eine große Rolle in der Konfliktprävention spielen. Forschungspraktika und Weiterbildungsmaßnahmen für Studierende und Lehrende will sie stärken. Im Interesse der Partnerländer als auch zur Erreichung der Agenda 2030 und des Wohlstands und der Sicherheit in Europa will die SPD die Stellung der EU in der Entwicklungszusammenarbeit weiter ausbauen (Zielvorgabe: mindestens 0,7 Prozent des BIP für Entwicklungszusammenarbeit). Angesichts des Fachkräftemangels fordert sie, dass das Potenzial inländischer Fachkräfte durch Investition in Weiterbildung besser genutzt wird, ebenso wie die Gewinnung von Fachkräften aus dem nicht-europäischen Ausland. Für die gezielte gemeinsame Anwerbung von Fachkräften in Europa braucht es ein verbessertes EU-Fachkräfteeinwanderungsrecht. Die SPD setzt sich für eine zügige Harmonisierung der nationalen Zugangsmöglichkeiten zum europäischen Arbeitsmarkt aus Drittstaaten ein. Zum Schutz, Erhalt und die Förderung der Forschungsfreiheit will sie beobachtende und empfehlende Maßnahmen der EU unterstützen.

Die Linke fordert einen durch interkulturellen Dialog, humanistische Bildung, demokratischen Austausch sowie durch unabhängige und gesellschaftskritische Forschung und Lehre gekennzeichneten inklusiven Bildungsansatz. Sie setzt sich für ein Bildungssystem sein, das überall in Europa, von der Kita bis zur Promotion, ohne Gebühren öffentlich und bedarfsgerecht finanziert und sozial durchlässig organisiert ist. Um mehr Menschen Zugang zu einer Mobilität zu ermöglichen, fordert Die Linke für den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen ein Erasmus+ Budget von 48 Mrd. Euro, analog zur Forderung des CULT-Ausschusses 2019. Sie setzt sich für eine europaweite Anerkennung von Studien- und Berufsabschlüssen ein. Mit Blick auf die Europäische Hochschulinitiative fordert sie europäische Studienabschlüsse, mit attraktivitätssteigernder Wirkung für Studierende. Ferner fordert sie ein Qualitätssicherungssystem, das Hochschulen auf ihren Inklusivitätsbeitrag analysiert und die die sozialökologische Transformation dabei zum Gradmesser macht. Die Linke will den Bologna-Prozess dahingehend reformieren, dass Hochschulen europaweit als offene, soziale und demokratische Einrichtungen gestaltet und verstanden werden, an denen Lehre und Forschung sich frei und unabhängig von Markt und Profit, in gesellschaftlicher Verantwortung entwickeln können. Mit der EU-Grundrechte-Charta und der Bonner Erklärung ist die Wissenschaftsfreiheit aus Sicht von Die Linke bereits hinreichend und einklagbar ausformuliert. Sie fordert, dass das Bleiberecht von Personen in der EU mit Aufnahme einer Ausbildung oder eines Studiums sichergestellt wird und diese vor Abschiebung geschützt sind. Ferner setzt sie sich dafür ein, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die politisch verfolgt werden, ihr wissenschaftliche Arbeit an Hochschulen in Deutschland und in der EU fortführen können.

Die FDP will exzellente Bildung und freie Forschung weiter stärken, da sie unabdingbar für Innovation und Wohlstand sind. Entsprechend soll das Erasmus+ Programm weiter ausgebaut werden, speziell, um den Zugang auch für Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie Azubis zu verbessern. Sie fordert, dass weiteren Partnerländern der EU der Status als Programmland angeboten wird, insbesondere den Beitrittskandidaten. Besonders unterstützen will sie darüber hinaus multinationale Hochschulen in Grenzregionen und Studiengänge, sowie Prädoc- und Postdoc-Programme, die den Aufenthalt an mindestens zwei europäischen Hochschulen bzw. Forschungsinstituten bedingen. Für eigene Rechtspersönlichkeiten der Hochschulallianzen will die FDP geeignete Lösungen finden. Sie fordert, dass die Bildungsfreizügigkeit als neue Grundfreiheit der EU etabliert wird. Zur Vereinfachung der Planung von Auslandsaufenthalten setzt sie sich für eine Angleichung der Semester- und Prüfungszeiten in der EU ein. Ein zentrales Online-Bewerbungsportal für die EU soll eingeführt werden, um den Bewerbungsprozess zu vereinfachen. Die FDP setzt sich zudem für die Einführung des digitalen Europäischen Studierendenausweises ein. Das EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation Horizont Europa will die FDP mit Schwerpunkten insbesondere in den Bereichen Bio- und Gentechnologie, Energietechnik sowie Digitalisierung und Künstliche Intelligenz ausbauen. Sie begrüßt die Initiative, Wissenschaftsfreiheit auch auf europäischer Ebene zu stärken; einen Abbau der wissenschaftlichen Selbstkontrolle zugunsten strenger staatlicher Vorschriften lehnt sie ab. Bei der Arbeitskräftemobilität will sie Hürden in der EU abbauen und komplizierte, langwierige Prozesse vereinfachen, um motivierten, leistungsbereiten Menschen einen leichteren Zugang zum europäischen Arbeitsmarkt zu geben. Die Vergleichbarkeit und gegenseitige Anerkennung von Zeugnissen und Abschlüssen will sie darüber hinaus verbessern und Prozesse beschleunigen, z.B. durch digitale One-Stop-Shops als zentrale Anlaufstellen in jedem EU-Mitgliedstaat. Angesichts des Fachkräftemangels fordert sie eine EU-Strategie für die Fachkräftegewinnung.